Der Hund, der freudig dem Ball nachjagt und ihn hechelnd zum Halter zurückträgt, damit dieser das runde Wurfgeschoss wieder so weit wie möglich pfeffert: Ballspielen mit dem Hund ist für viele Menschen DAS Klischee der Hundebeschäftigung. An sich spricht auch absolut nichts dagegen, den Hund auf diese Art und Weise ab und zu seinen Bewegungsdrang ausleben zu lassen. Wenn der Mensch jedoch nur noch als “Ballwurfmaschine” fungiert und es ansonsten keine Kommunikation zwischen Hund und Halter während des Spiels gibt, kann dies früher oder später zu Problemen führen. Warum das so ist und wie man es besser machen kann, erfährst Du in diesem Beitrag.
Warum Ballspielen mit dem Hund nicht nur Spaß bedeuten kann
Viele LeserInnen unseres Blogs wissen bestimmt, dass mein Hund Bjarki ein Jagdhundmischling ist. Als er noch sehr klein war, habe ich es bewusst vermieden, mit ihm Ball zu spielen. Weshalb?
Jagdhunde bzw. Hunde im Allgemeinen haben einen auch heute noch wild lebenden Verwandten: Den Wolf. Wölfe müssen sich, anders als unsere Haushunde, noch selbst um die Beschaffung ihres Futters kümmern. Wenn Wölfe sich auf Raubzug machen und eine Beute erspähen, kommt es zur Kette der sogenannten Beutefanghandlung: Zuerst wird die Beute fixiert, dann schleicht sich das Raubtier langsam an und packt im richtigen Moment zu – um das Beutetier danach zu töten und zu fressen.
Unsere Hunde haben es da schon ein wenig bequemer: Ihnen wird das Futter meist zu geregelten Zeiten direkt vor die Nase gestellt. Dennoch haben auch sie den Ablauf der Beutefangkette genetisch in sich verankert, was ihrer Verwandtschaft zum Wolf geschuldet ist. Das ist auch der Grund, weshalb viele Halter über den ausgeprägten, oft unkontrollierbaren Jagdtrieb ihres Vierbeiners klagen.
Da Hunde für die Arbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden und nicht von sich aus einfach irgendwelchen Wildtieren nachhetzen sollen, wurden sie über die Jahrhunderte nach bestimmten Elementen der Beutefangkette selektiert. Das sind primär die Elemente Fixieren, Anschleichen und Zupacken. Es ist also erwünscht, dass die danach selektierten Hunde dieses Verhalten in bestimmten Situationen zeigen. Bjarki ist ein Mix aus zwei Vorstehhund-Rassen, was bedeutet, dass seine Vorfahren auf das Verhalten “Fixieren” hin selektiert wurden. Dies hat für den Menschen, der mit ihnen arbeitet – in diesem Falle der Jäger – den Vorteil, dass der Hund das Wild vor ihm erschnuppert oder erspäht, dann “fixiert” und so dem Jäger anzeigt, in welcher Richtung es sich befindet.
Das “Fixieren” ist meist ein Verharren, bei dem der ganze Körper angespannt und die Schnauze in Richtung des Wildes gerichtet ist.
Foto-Credit: Herwig Gans
Da das Jagen jedoch eine Handlungskette ist, wurden Vollgebrauchsjagdhunde darauf selektiert, das Wild nach dem Fixieren auch packen und/oder festhalten zu können. Und bevor man etwas Flüchtendes packen kann, muss man logischerweise hinterherlaufen. Daher haben die meisten Hunde eine solche Freude am Spiel mit dem Ball – der Ball simuliert dabei die flüchtende Beute, die sie packen und festhalten können.
Angesichts dieser Ausführungen wird klar, dass zu viel Ballspielen, vor allem in der Welpen und Junghundezeit, auch nach hinten losgehen kann. Vor allem in dem sensiblen Alter vom 4. – 6. Lebensmonat, in dem sich Verknüpfungen im Gehirn bilden, die nicht so leicht wieder auszuschalten sind, kann es durch übermäßiges Ballspiel zu Problemen kommen.
Beispielsweise könnte der Hund später mehr Spaß am Hetzen haben oder ein schwerer Ball-Junkie werden. Und ein richtiger Ball-Junkie hat Stress – auch wenn es so aussieht, als würde er den ultimativen Spaß haben.
Wie Ball-Junkies entstehen
Wenn die Jagdinstinkte des Hundes angesprochen werden, fließen Adrenalin, Cortisol und Dopamin durch das Gehirn. Der Hund lebt seine Passion aus. Leider sind die Hormone Cortisol und Adrenalin im Übermaß alles andere als förderlich für die Gesundheit des Hundes. Zu hohe und häufige Hormonausschüttung kann vom Hundekörper auch als massiver Stress empfunden werden. Meist wird das Spiel durch den Halter auch noch in dem Moment beendet, in dem der Hund vollkommen aufgekratzt ist, was eine zusätzliche Frustration bedeutet, die ebenfalls Stress verursachen kann.
Aus diesen Stress-Situationen heraus resultieren häufig Übersprungshandlungen, die vom Hundehalter als Symptome der Diagnose “Ball-Junkie” abgetan werden. Wenn ein Hund über Monate oder Jahre hinweg dem ständigen Stress des Hetzspiels nach dem Ball ausgesetzt wird, kann dies auch zu Verhaltensproblemen führen, die im ersten Moment gar nicht damit in Verbindung gebracht werden.
Aber: Du musst jetzt nicht sofort alle Bälle entsorgen und nie wieder mit Deinem Hund Ball spielen. Ihr braucht das Spiel damit nur ein wenig anders aufzubauen – dann können Dein Vierbeiner und Du sogar davon profitieren, dass der Ball so heiß begehrt ist. In weiterer Folge möchte ich Dir 3 Möglichkeiten näherbringen, den Hund sinnvoll mit dem Ball zu beschäftigen.
Wie immer gilt: Ich bin keine Hundetrainerin und alle Tipps beruhen nur auf meinen eigenen Erfahrungen mit Hunden und der Literatur, die ich lese.
Sinnvolles Ballspielen mit dem Hund: 3 Möglichkeiten
Seit Bjarki das erste Mal ein Ball vor die Beine geworfen wurde, war klar: Dieser Hund liebt alles, was rund ist und schnell rollt. Als damals noch recht unerfahrene Hundehalterin dachte ich mir im ersten Moment: “Oh nein, ich habe einen unverbesserlichen Ball-Junkie!”
Mittlerweile bin ich aber der Ansicht: Ich kann Bjarkis Fixierung auf Bälle auch zu meinem Vorteil in Sachen Erziehung und gemeinsames Spiel nutzen. Wie das bei uns funktioniert?
- Impulskontrolle beim Ballspielen mit dem Hund
Bjarki war schon als Welpe sehr an seiner Umwelt interessiert. Alles, was sich bewegt, Lärm macht oder fressbar sein könnte, zieht ihn magisch an. Er will zu dem Objekt der Begierde. Und zwar sofort.
Da eine solche Reaktivität vor allem in der Großstadt bei viel Verkehr schnell zur Gefahr werden kann, habe ich von klein auf mit ihm die Impulskontrolle trainiert. Was man darunter versteht? Bjarki sollte lernen, sich auch ‘mal zurückzuhalten und nicht jeder Kleinigkeit sofort nachzuhetzen, die für ihn im ersten Moment von Interesse erscheint. Bei einem Jagdhundmischling natürlich auch wegen des Jagdtriebes von Bedeutung.
Eine besonders einfache Übung zur Impulskontrolle ist diese:
Du benötigst Deinen Hund, der ein Halsband oder Geschirr trägt, tolle Leckerlis, einen Ball (bitte keinen Tennisball, die sind schlecht für die Zähne des Hundes) und ein Stück ablenkungsfreie Wiese. Da du so auch gleich das Apportieren üben kannst, empfiehlt sich zusätzlich eine Schleppleine am Geschirr.
Du bringst Deinen Hund ins Sitz, hältst ihn am Halsband oder Geschirr fest, bedeutest ihm zu bleiben (mit dem von euch dafür gewählten Kommando) und wirfst den Ball. Im ersten Moment wird er natürlich nachhetzen wollen.
Du hältst ihn aber am Geschirr zurück, sagst “Nein” – oder welches Abbruchsignal ihr auch immer habt – und bringst ihn wieder ins Sitz. Nachdem er sich hingesetzt hat, schickst du ihn nach relativ kurzer Zeit, also wenigen Sekunden, los, um den Ball zu holen.
Wenn er ihn hat, lobst du ihn überschwänglich und lässt ihn kurz damit spielen. Dann lockst du ihn wieder zu Dir oder holst ihn an der Schleppleine, wenn er nicht kommen will. Bei Dir angekommen, gibt’s dann gleich nochmal Lob und Leckerlis.
Dies wiederholst Du einige Male und Du wirst sehen: Nach ein paar Versuchen, hat Dein Hund den Ablauf verstanden. Er soll sitzen bleiben, Du wirfst den Ball und erst auf Dein Kommando hin soll er ihn holen und bekommt dafür eine tolle Belohnung. Zwischendurch darf Wuffi, um Frust zu vermeiden, dem Ball auch ‘mal gleich nachjagen.
- Nasenarbeit mit dem Ball: Fordernde Suchspiele
Der heiß begehrte Ball eignet sich auch super, um Deinen Hund geistig zu fordern. Die meisten Hunde haben viel Spaß daran, ihre Riechzellen einzusetzen. Vor allem dann, wenn der Ball und im Anschluss auch noch ein Leckerli auf sie warten. Diese Übung kann ganz einfach in euren täglichen Spaziergang eingebaut werden. Du hast den Ball und Leckerlis dabei, Dein Hund ist an der Schleppleine oder im Freilauf.
Zu Beginn sollte das Suchspiel von Null weg aufgebaut werden, am besten in einer relativ reizarmen Umgebung.
Dafür lässt Du Deinen Hund sitzen und vermittelst ihm, dass er bleiben soll. Dann “versteckst” Du den Ball ganz in eurer Nähe, legst ihn also beispielsweise einfach im hohen Gras auf den Boden – das Versteck sollte relativ leicht auffindbar sein, damit der Hund nicht gleich zu Beginn die Freude am Suchspiel verliert. Falls er das Kommando “Such!” vom Leckerlisuchen schon kennt, kannst Du es nun verwenden und ihn suchen schicken.
Hunde, die bisher selten oder noch nie etwas gesucht haben, nimmst Du am besten an der Schleppleine und führst sie zu dem versteckten Ball. Wenn der Hund ihn aufnimmt, lobst Du ihn und es gibt ein Leckerli im Tausch gegen den Ball. Auch diese Übung wiederholst Du einige Male, bis der Hund verstanden hat: “Ich suche und finde den Ball, dafür gibt es etwas Gutes”.
Wenn das klappt, er also eigenständig nach dem Ball sucht, kannst Du eine Steigerung einbauen: Nach dem Finden soll er den Ball zu Dir bringen. Du gehst also wieder gleich vor wie zu Beginn, kehrst aber nach dem Verstecken wieder zum Hund zurück und schickst ihn erst suchen, wenn Du wieder am Ausgangspunkt bist. Hat er den Ball gefunden, lobst Du ihn, lockst ihn zu Dir oder holst ihn an der Schleppleine und tauscht den Ball wieder gegen das Leckerli aus. Solche gemeinsamen Suchspiele festigen auch eure Bindung.
- “Hund, achte mehr auf mich!” Wie Du den Ball für das Freilauf-Training verwenden kannst
Viele Hundehalter klagen darüber: “Draußen bin ich komplett uninteressant für meinen Hund!” Wenn Wuffi sich im Freilauf verselbstständigt, bringt das meist unangenehme Konsequenzen für den Halter mit sich und auch der Hund wird in vielen Fällen in seinem Freiraum eingeschränkt, da Spaziergänge ohne Leine nicht möglich sind. Wer einen Ball-Junkie hat und den Ball nur dosiert einsetzt, kann sich freuen: Das runde Spielzeug taugt auch was in Sachen Freilauf-Training.
Wie das funktioniert?
Auch, wenn Dein Hund im Freilauf brav ist, kannst Du euren Spaziergang mit dieser Übung spannender gestalten und eure Bindung und den Gehorsam gleichermaßen festigen. Dafür benötigst Du wieder Ball, Hund, Leckerli und im Zweifel die Schleppleine.
Ihr geht ganz normal spazieren, bestenfalls im Wald oder auf einer großen Wiese. Du zeigst Deinem Hund schon ‘mal, dass Du den Ball dabeihast – steckst ihn aber für’s Erste wieder ein. Ein Ball-Junkie wird nun schon hocherfreut vor Dir herumspringen oder betteln, um den Ball schnellstmöglich zu bekommen. Dies ignorierst Du erst einmal und gehst weiter, ohne sein Verhalten groß zu beachten.
Nachdem Dein Hund sich ein wenig beruhigt hat, wird er sich trotzdem immer wieder zu Dir umschauen, wann denn jetzt endlich das Ballspiel beginnt. Das Umsehen kannst Du schon ‘mal mit einem Leckerli belohnen und ihn dafür loben, denn genau das möchtest Du ja erreichen: Dass Dein Hund draußen mehr auf Dich achtet.
Dann geht’s ans Eingemachte: Irgendwann lässt Du den Ball einfach auf den Boden fallen und gehst weiter.
Jetzt gibt es zwei Optionen:
Variante 1: Wenn Dein Hund schon ein Abbruchsignal, wie “Nein” gelernt hat, verwendest Du dieses nun und bedeutest ihm, er solle weiterlaufen. Auch Du gehst weiter. Nach einigen Metern und wenn er sich brav nach Dir umschaut, schickst Du ihn den Ball holen, lockst ihn dann wieder zu Dir und tauscht Ball gegen Leckerli.
Diese Übung kannst Du einige Male wiederholen, dann steckst Du den Ball wieder ein. Beende die Übung mit einem Leckerli, damit der Frust nicht allzu groß ist. Ihr geht weiter. Betteln oder hochspringen, um wieder an den Ball zu kommen, wird ignoriert.
Nach einiger Zeit kannst Du die Übung dann wiederholen und auch etwas schwieriger gestalten, indem Du den Ball beispielsweise nicht nur fallen lässt, sondern versteckst. Dein Hund wird sich schon nach kurzer Zeit, in freudiger Erwartung, dass das Spiel gleich wieder losgeht, immer wieder zu Dir umdrehen.
Die zweite Variante ist für all jene Hunde geeignet, die noch nicht sicher auf ein Abbruchsignal reagieren. Hierfür kommt der Hund an die Schleppleine.
Du gehst gleich vor wie in Variante 1, hinderst Deinen Hund aber, wenn Du den Ball fallen lässt, mit einem “Nein” und der Schleppleine daran, gleich zum Ball zu laufen.
Du kannst den Ball auch ein wenig hinter Dich werfen, damit er nicht so leicht ‘rankommt. Nun geht ihr weiter. Nach einigen Schritten schickst Du ihn los, um den Ball zu holen. Am Anfang sollte das Losschicken immer nach relativ kurzer Zeit passieren, um eben nicht schon in dieser Phase dem Hund die Lust auf die Übung zu vermiesen.
Wenn er den Ball hat, lockst Du ihn oder holst ihn an der Schleppleine zu Dir. Belohne ihn dann wieder mit Lob und Leckerlis im Tausch gegen den Ball.
Nach einigen Malen schickst Du Deinen Hund erst los, wenn er Dich ansieht und steigerst nach und nach die Distanz, aus der Du ihn zum Ball schickst. Wie auch in der ersten Variante steckst Du nach ein paar Wiederholungen den Ball weg und gibst dem Hund zum Abschluss der Übung ein Leckerli. Dann geht ihr ganz normal weiter spazieren. Wenn er brav auf Dich achtet, darf er dem Ball auch zwischendurch ‘mal nachhetzen oder ihn tragen.
Natürlich ist jeder Hund individuell und es kann auch sein, dass Deiner sich am Anfang nicht so apportierfreudig zeigt. Die meisten Hunde haben aber großen Spaß am Apportieren und Suchen, vor allem wenn es um ihren heißgeliebten Ball geht. Gib’ euch also etwas Zeit und übe immer mit motivierender Stimme und viel Lob mit ihm. So habt ihr beide Spaß an dem gemeinsamen Ballspiel!
Quellenangabe und interessante weiterführende Literatur:
- Verhaltensbiologie für Hundehalter – das Praxisbuch: Udo Gansloßer, Petra Krivy
- Handbuch für Hibbelhunde: Bina Lunzer
- Verstärker verstehen: Über den Einsatz von Belohnung im Hundetraining (Das besondere Hundebuch): Viviane Theby
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Hundepsychologie: Sozialverhalten und Wesen – Emotionen und Individualität: Dr. Dorit Feddersen-Petersen