“Autokäufer in Deutschland geben so viel Geld für Neuwagen aus wie nie zuvor. Im Schnitt legten sich private und gewerbliche Kunden im Jahr 2016 Autos mit einem Listenpreis von 31.400 Euro zu.”, schrieb das Manager Magazin in einem Artikel letztes Jahr. Ich gebe um die 70€ im Monat für die Ernährung eines intelligenten, mir anvertrauten Lebewesens aus Fleisch und Blut aus, anstatt es nur mit Trockenfutter zu füttern – und kann mir immer wieder sagen lassen, wie dekadent das wäre. Immerhin verhungern in Afrika Kinder.
Nun ja, ganz so krass sind die Vorwürfe dann meist doch nicht. Aber es geht ungefähr in diese Richtung. Aber beginnen wir von Anfang an, damit das Ganze auch verständlich wird.
Über übertriebene Fürsorge und das Familienmitglied Hund
Ich würde mich als fürsorgliche Hundehalterin bezeichnen. Ich achte darauf, dass Bjarki bequem schlafen kann, dass er genug Bewegung und geistige Auslastung bekommt und ich sorge dafür, dass er artgerecht ernährt wird. Angesichts der Tatsache, dass er ja nur ein Hund ist, ziemlich viel Fürsorge, oder? Das ist zumindest die Meinung einiger Mitmenschen, die über meinen Umgang mit Bjarki Bescheid wissen.
Meiner Meinung nach ist es zwar vollkommen legitim, einem hochsensiblen, hochintelligenten und hochsozialem Lebewesen ein gutes Leben zu ermöglichen, ich empfinde meinen Hund schließlich als Familienmitglied – aber mit dieser Meinung bin ich wie schon erwähnt nicht immer in bester Gesellschaft. Mehr noch: Ich feinde damit anscheinend manchmal sogar unbeabsichtigt Menschen an, die ihrem Tier nicht so viel Fürsorge schenken wollen oder können. “Bin ich jetzt ein schlechter Hundehalter, weil ich mich nicht so viel um meinen Hund kümmere, oder was?” wäre so ein Ausruf eines sich, durch meine angeblich übertriebene Fürsorge Bjarki gegenüber, angefeindet fühlenden Menschen.
Dabei will ich überhaupt nicht, dass jemand seinen Hund genau so behandelt, wie ich Bjarki behandle. Hunde sind, wie wir Menschen, grundverschieden und während der eine sich über viel Beschäftigung und Zuneigung freut, ist der andere vielleicht eine absolute Schlaftablette und wird auch gar nicht so gerne gekuschelt.
Genauso wenig erwarte ich, dass jemand seinen Hund genau so füttert, wie ich Bjarki füttere. Was ich mir aber erwarte, ist ein wenig Toleranz und Akzeptanz.
Foto-Credit: Herwig Gans
Mein Hund bekommt kein Trockenfutter
Wie weiter oben schon erwähnt, kostet mich Bjarkis Futter im Schnitt 70€ im Monat. Hätte ich einen großen Gefrierschrank, würde ich vielleicht noch ein wenig günstiger wegkommen, dafür gibt es aber in einer 50 Quadratmeter-Wohnung, die von 2 Menschen, einem Vierbeiner und (zu meinem Leidwesen) einigen Achtbeinern bewohnt wird, kaum Platz.
Bjarki wird artgerecht gefüttert, wobei sich über die Definition von “artgerecht” natürlich streiten lässt. Trockenfutter ist jedoch auf keinen Fall artgerecht. Trockene Kügelchen, die nach Geschmacksverstärkern riechen, monatelang haltbar gemacht werden müssen und deren Inhaltsstoffe man absolut nicht mehr erkennen kann, sind meiner Ansicht nach für keine Spezies dieses Planeten artgerecht. Wenn jemand seinem Hund trotzdem ausschließlich Trockenfutter füttert, geht mich das natürlich absolut nichts an und ich würde mir auch nicht anmaßen, demjenigen diese Fütterungsweise ausreden zu wollen. Trotzdem muss ich sie nicht gut finden.
Dekadenter geht es kaum: Mein Hund frisst rohes Fleisch und Gemüse
In Bjarkis Napf landen Schlachtabfälle wie Blättermagen, Hühnerhälse, Innereien, Knochen und Kopffleisch. Die Innereien erhält er sogar in Bio-Qualität, da es mir sinnvoller vorkommt, bei Entgiftungsorganen auf die Qualität des Fleisches zu achten, immerhin landen dort auch Umweltgifte und Pestizide – die Bjarki nicht unbedingt abbekommen muss. Zudem liegt mir auch der ethische Aspekt am Herzen: Für Bjarkis Futter soll kein Tier umgebracht werden. Er bekommt daher die Abfallprodukte der Fleischindustrie, die für den menschlichen Verzehr ohnehin ungeeignet bzw. nicht zugelassen wären. Zu den (für Bjarkis Nase) wunderbar stinkenden Innereien gibt es zusätzlich noch Gemüse und Öle, um seinen Bedarf an Nährstoffen und Spurenelementen abzudecken. Und das war’s. Das Gemüse für ihn muss ich nicht einmal separat einkaufen, da wir sowieso immer auch für uns welches zuhause haben und Bjarki davon etwas abbekommt. Das Futtermodell, nach dem ich Bjarki füttere, nennt sich BARF. Nähere Informationen dazu findet ihr hier.
Wenn ich nun aber so frei in die Runde erzähle, dass mein Hund rohes Fleisch bekommt, manches davon sogar in Bio-Qualität, werden die Augen groß und die Moralapostelreden lang. Von “Wie bitte? Aber er ist doch nur ein Hund” bis “Ich selbst esse ja nicht ‘mal Bio-Fleisch” ist da dann alles dabei.
Verschobene Prioritäten: Wenn der Kleinwagen mehr wert ist als ein Lebewesen
Um noch einmal auf den weiter oben schon erwähnten Autokauf zurückzukommen: Wir Österreicher geben für laufende Kosten unseres Autos durchschnittlich 540€ im Monat aus. Ich habe noch nie jemanden sagen hören: “Wie bitte? Aber es ist doch nur ein Auto”.
Nehmen wir ‘mal an, ich kaufe mir einen Flatscreen-Fernseher um einige Tausend Euro, zudem den neuesten iMac und eine Designercouch. Das erzähle ich dann ebenso frei in die Runde wie vorhin, dass mein Hund mit rohem Fleisch ernährt wird. Kaum jemandem würden die Augen herausploppen angesichts dieser Offenbarung. Es ist gesellschaftlich anerkannt, viel Geld für Konsumgüter auszugeben.
Wem allerdings die Gesundheit eines Lebewesens am Herzen liegt und sich diese auch etwas kosten lässt – anstatt Trockenfutter, also trockene Kügelchen, die nach Geschmacksverstärkern riechen und deren Inhaltsstoffe nicht einmal mehr erkennbar sind, dem Hund vorzusetzen – der kann sich vorwerfen lassen, wie dekadent dieses Vorgehen wäre und dass man Hunde nicht vermenschlichen soll.
Letzterem stimme ich zu. Ich vermenschliche Bjarki nicht. Denn ich verzichte gerne auf pürierten Blättermagen und Rindsknochen zum Nachtisch.